Notizen zur Eröffnungsrede für Helga Schager, Februar 2003
Ein Faden -
seit den 70er Jahren haben feministische Künstlerinnen provokativ traditionell weibliche Tätigkeiten zur Kunst deklariert, z.B. Judy Chicago in den USA mit The Dinner Party, Rosemarie Trockel Anfang der 80er Jahren in Deutschland mit ihren Strickbildern ...
in den 90er Jahren wurde dieser Faden noch einmal auf einer neuen Art und Weise von Sadie Plant aufgegriffen, die den Begriff Cyberfeminismus mit Hinweisen auf die uralte weibliche Tätigkeit des Webens geprägt hat (Frauen haben schon immer Netzwerke geknüpft)
Helga Schager kommt aus dem textilen Bereich, der eindeutig von Frauen dominiert wird und wahrscheinlich nicht zufällig eher unten in der Hierarchie der bildenden Künsten steht, und deswegen seit Jahren mit der Frage "Was ist weibliche Kunst?" konfrontiert worden ist. Auch wenn diese Tradition nicht mehr in Vordergrund steht, kommt ihre Verbundenheit mit dieser Tradition noch in der Wahl ihrer Mittel zum Ausdruck, etwa in der Verwendung vom Verbandszeug als Bildträger
Doch das Einbringen traditionell weiblicher Tätigkeiten und Gegenstände in die Kunst war nie unumstritten, auch nicht unter Frauen. Frauen haben sich schon immer dagegen gewehrt, sich auf traditionellen Rollenbilder festzulegen, zu sehr damit in Verbindung gebracht zu werden. Wir können ja mehr. Wir können das machen, was Frauen schon immer gemacht haben, und wir können auch das machen, was Männer machen, oft sogar besser als die Männer es machen, auch wenn wir dafür nur einen Bruchteil der Anerkennung bekommen.
Aber Helga Schager legt sich weder auf das eine noch auf das andere fest: Sie steht schlicht und einfach dazu, daß sie bewußt einfach als Frau Kunst macht.
Es wird heute vielfach in Frage gestellt, ob es überhaupt einen Sinn hat, das Frau-sein zu betonen. Viele jüngere Frauen lehnen es prinzipiell ab, sich an Frauenprojekten zu beteiligen, und Ausstellungen "weiblicher Kunst" gelten inzwischen als konservativ und rückschrittlich - wir haben das ja nicht mehr notwendig, wir haben schon so viel erreicht; das separatistische Denken müßten wir schon überwunden haben. Tatsächlich haben jüngere Frauen heute eine solche Vielfalt an möglichen Vorbildern, daß etwas wie "Frauenkunst" eigentlich als eine Einschränkung gesehen werden kann.
Was hat es dann für einen Sinn, als Frau Kunst zu machen?
Für mich ist Kunst wesentlich in unserer Gesellschaft. Kunst bietet eine Möglichkeit der Reflexion an, sie schärft unseren Blick für die Welt in der wir leben und erlaubt es uns vorzustellen, wie diese Welt anders aussehen könnte. Sie hält uns einen Spiegel entgegen, und das Bild, das wir darin erkennen, ist nicht immer schön oder angenehm, aber erst wenn wir den Ist-Zustand nicht mehr als selbstverständlich hinnehmen, können wir freier entscheiden, wie wir leben wollen und wie nicht.
Helga Schager lebt nicht in einem Vakuum. Was sich in den letzten 30 Jahren alles verändert hat, ist auch nicht spurlos an ihr vorbeigezogen. Wenn sie heute bewußt als Frau Kunst macht und öffentlich zur Schau stellt, was sie als Frau erlebt und wie sie es erlebt, dann bietet sie uns damit eine Gelegenheit an, dieses Leben noch einmal genauer zu betrachten, Dinge bewußt wahrzunehmen, die vielleicht auch so banal sind, daß man gar nicht darüber reden mag. Aber nachdem Bilder eine eigene Sprache haben, durch die sie sich vermitteln, ist es auch nicht notwendig große Worte über kleine Dinge zu verlieren - es geht um das Wahrnehmen und das Empfinden; es geht um ein anderes Sehen, das schon immer ein zentrales Anliegen der Kunst gewesen ist.