Doch geschlagen
Ich gebe mich geschlagen.
Anstand, Fairness, Aufwand würden alle nahelegen, dass Hauseigentümer*innen und Mieter*innen im Falle einer Meinungsverschiedenheit zunächst versuchen sollten, miteinander zu reden. Doch wer ein großes, altes Haus geerbt hat, hat das scheinbar nicht nötig. Dafür hat man einen Anwalt, der lediglich durch Klagen kommuniziert.
Auch wenn die vielen Linzer Kunst- und Kulturschaffende, die seit Jahren bei mir im Ehrenletzberger Haus ein- und ausgegangen sind, nun bedauernd einsehen, dass die Umbauarbeiten am ehemaligen Finanzamtsgebäude neben meinem inzwischen ehemaligen Büro eine keineswegs ortsübliche und durchaus unzumutbare Belastung darstellen, wird mir von den Hauseigentümer*innen trotzdem eine Mietzinsminderung für die Dauer der Kündigungsfrist verweigert.
Grundsätzlich besteht das Recht auf Mietzinsminderung, wenn gemieteten Räumlichkeiten nicht zum Zweck benutzt werden können, wofür sie gemietet wurden. Die Räumlichkeiten im Ehrenletzberger Haus habe ich seit 1987 für Bürozwecke gemietet, wie es im Mietvertrag steht, kann sie aber zu diesem Zweck jetzt nicht mehr benutzen, aus welchem Grund ich den Mietvertrag bereits im September gekündigt habe.
Doch Rechte gelten nur, wenn man sie durchsetzen kann.
Der die erblichen Hauseigentümer*innen vertretende Rechtsanwalt hat mir mitgeteilt, dass Baustellenlärm im Stadtgebiet ortsüblich sei und deswegen von allen akzeptiert werden müsse, und dann hat er eine Klage beim Bezirksgericht Linz eingereicht. Um mein Recht durchzusetzen, müsste ich nun vor Gericht beweisen, dass ich mein Büro nicht mehr im Sinne des Mietvertrags benutzen kann, was weitere, noch nicht absehbare Gerichtskosten, zusätzlichen Kosten für Gutachten sowie Anwaltskosten verursachen könnte. Selbstverständlich könnte ich auch einer Mietervereinigung beitreten, um mich rechtlich beraten und vertreten zu lassen, aber der (klarerweise berechtigte) Mitgliedsbeitrag würde mehr als die Höhe der Mietzinsminderung kosten. Der Streitwert beträgt nämlich genau 132,70 Euro.
Als alleinstehende Witwe mit keinerlei Ressourcen außer meiner eigenen Arbeitskraft habe ich weder die finanziellen Mittel noch die benötigten Energie, um einen womöglich längeren Rechtsstreit durchzufechten. Und wozu? Um zu beweisen, dass ich Recht habe?
Gäbe es Aussichten auf einen Präzedenzfall, der anderen in ähnlichen Situationen nützlich sein könnte, würde ich es noch überlegen, die noch nicht absehbare Kosten auf mich zu nehmen, um mein Recht durchzusetzen. Doch dazu ist der Umbau des ehemaligen Finanzamtsgebäude zu einzigartig, fürchte ich. Das heißt, selbst wenn ich Recht habe, wovon ich überzeugt bin, hat niemand was davon, wenn ich die Kosten auf mich nehme, um mein Recht durchzusetzen. Nachdem ich ohnehin aus dem Haus ausziehen musste, bliebe es bei einem rein ideellen Recht mit hohen finanziellen Kosten.
Derzeit werden viel wichtigere Rechte verwehrt, nämlich grundsätzliche Menschenrechte, und die Menschen, denen ihre Menschenrechte verwehrt werden, haben es ungleich schwerer, ihre Rechte durchzusetzen. Ein sinnloser, kleingeistiger Rechtsstreit um eine Mietzinsminderung von 132,70 steht in keinem Verhältnis dazu.
Sollen die erblichen Hauseigentümer*innen mit ihrem jeweiligen Anteil von 26,70 Euro glücklich werden, wir alle haben Wichtigeres zu tun.