Reflections on Nuns
In diesem Gebäude haben sich früher nur Frauen und Mädchen aufgehalten. Ich habe oft den Eindruck, diese Vorstellung löst bei den meisten Menschen Befremden aus, als ob das etwas "Unnatürliches" wäre.
Wenn ich aber an meine Kindheit denke, waren für mich solche Orte nicht "fremd", sie haben mir vielmehr ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Eine Cousine meines Vaters, die ich als Kind sehr liebte, war Nonne, und die Besuche bei ihr im Kloster gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Es macht mir manchmal Spaß, wenn ich erzähle, daß ich früher Nonne werden wollte, weil die meisten Leute ganz erstaunt, ungläubig, befremdet reagieren. Es ist aber kein Witz, ich wollte wirklich gerne Nonne werden. Das Einzige, was mich davon abgehalten hat, war, daß ich in Österreich bleiben wollte, und hier keine Schwestergemeinschaft wie meine in den USA finden konnte, wo ich mich so wohl gefühlt hatte.
Ich hatte sehr gute Gründe dafür, daß ich Nonne werden wollte, und weil ich sie heute noch für gültig halte, ist es mir persönlich wichtig, daß es immer noch solche Gemeinschaften gibt. Wenn ich als kleines Mädchen meine Mutter und ihre verheirateten Freundinnen mit den Schwestern und anderen alleinstehenden Frauen verglich, wuchs in mir der Eindruck, daß das Zusammenleben mit einem Mann eine sehr nachteilige Wirkung auf die Intelligenz der Frauen hat. Da ich meine eigene Intelligenz ernst nahm, wurde mir in jungen Jahren klar, daß mich Ehe und Familie überhaupt nicht interessierten. Ganz allein wollte ich aber auch nicht leben, das Leben in einer Gemeinschaft gleichgesinnter Frauen war also die ideale Lösung.
In dieser Hinsicht bin ich heute noch überzeugt, daß ich sehr viel Glück hatte, mit dieser Einstellung aufwachsen zu können. Ich kam nie in Versuchung zu glauben, ich bräuchte einen Mann - um meinem Leben einen Sinn zu geben, um irgendetwas Unvollständiges zu ergänzen. Menschen brauche ich schon, aber einen Mann eben nicht. Diese Freiheit, die mir als kleines Mädchen und als Jugendliche vor allem von Nonnen vermittelt wurde, scheint auch nicht unbedingt ein Ausnahmefall zu sein. Bei der Eröffnung dieser Ausstellung war eine ehemalige Schülerin mit ihrem Ehemann hier - und die zwei schienen schon lange verheiratet - und ich hörte wie dieser Mann erzählte, er dachte sich damals, wenn er ein Mädchen von der Klosterschule heiratet, dann hat sicher eine brave Ehefrau - und dann hat sie erst recht ihre eigenen Ideen gehabt!
Ich habe allerdings einen sehr starken Verdacht, daß das Befremden, mit dem die Vorstellung eines Klosters begegnet wird, gerade mit diesem Punkt zusammenhängt.
Wie es in anderen Kulturen ist, weiß ich nicht, aber in unserer abendländischen Kultur haben Frauengemeinschaften schon immer Mißtrauen und Unbehagen ausgelöst. Religiöse Gemeinschaften von Frauen wurden immer möglichst schnell einem Männerorden zugeordnet; der Ausschluß der Frauen von der Priesterweihe führte dazu, daß der geistige Beistand männlicher Amtsträger als Notwendigkeit gesichert wurde. Päpstliche Erläße, die es den Äbtisinnen untersagten, die Beichte abzunehmen, schufen weitere Kontrollmöglichkeiten. Und unter diesen Vorkehrungen haben Frauen, die engagiert und seelsorgerisch tätig sind, heute noch zu leiden. Sie dürfen nicht tun, was sie sehr gut könnten, auch wenn sie wissen, daß ihre Fähigkeiten gebraucht werden.
Im 13. Jahrhundert schlossen sich die Beginen als religiöse und wirtschaftliche Gemeinschaften zusammen. Von den Zünften wurden sie angefeindet und unter Druck gesetzt - es hieß, sie nahmen Männern die Arbeit weg, weil sie als Handwerkerinnen billiger arbeiteten, und das Argument klingt irgendwie seltsam vertraut - und mußten sich oft deswegen außerhalb der städtischen Zentren ansiedeln. Seitens der Kirche wurden sie unter Druck gestetzt, sich in bestehenden Orden einzugliedern, obwohl diese Gemeinschaften zum Teil erst deswegen entstanden sind, weil die Aufnahme in ein Frauenkloster für Frauen aus ärmeren Verhältnissen problematisch geworden war. Frauen, die diesem Druck widersetzten kamen bald vor der Inquistition, die später in die sogenannte Hexenverfolgung mündete. Damit war es für unabhängige Frauengemeinschaften gänzlich aus.
Wenn es vielleicht naheliegend wäre, über die Verhältnisse im Mittelalter einfach den Kopf zu schütteln, möchte ich behaupten, es ist heute nicht so ganz anders.
Als Feministin der frühen 80er Jahren, weiß ich noch sehr gut, mit welchem Widerstand wir konfrontiert wurden, als wir darauf bestanden, Frauengruppen zu bilden, Veranstaltungen ausschließlich für Frauen zu organisieren, Räume nur für Frauen in Anspruch zu nehmen. Männer haben protestiert, sich über uns lustig gemacht, ihre Frauenfreundlichkeit behauptet, Störaktionen unternommen... Es darf einfach nicht sein, daß Frauen den Männern ihre Aufmerksamkeit auch nur kurz entziehen.
Was ist daran so bedrohlich? Ich denke, es ist kein Zufall, wenn heute von so vielen Stellen "die Familie" hochgepriesen wird und wenn die Suche nach dem "richtigen Partner" in allen Medien - von Unterhaltungsfilme zu Ratgeberbüchern mit reißendem Umsatz - eine derart zentrale Stelle einnimmt. In Kleingruppen mit vorgegebenen Strukturen sind Menschen leichter kontrollierbar. In einer Welt, die so unüberschaubar geworden ist, wächst scheinbar ein Bedürfnis nach überschaubaren Beziehungen im kleinen Rahmen. Als Feministin sehe ich darin allerdings die Gefahr, daß unsere Möglichkeiten zur Umgestaltung unserer Gesellschaft eingeschränkt werden. Ich meine, daß Mädchen und junge Frauen, denen von allen Seiten immer nur eingeredet wird, ihre Welt wird in Ordnung sein, wenn sie nur die "wahre Liebe" finden, sich dann schwer tun, andere Beziehungen wahrzunehmen, die in einer sich rasch verändernden Welt Orientierung bieten könnten.
Ich finde es sehr bezeichnend, daß wir meiner Meinung nach einen schwerwiegenden Mangel in unserer Sprache haben. Für die drei Männer, mit denen ich jetzt zusammenlebe, gibt es feststehende Begriffe, mit denen ich sie vorstellen kann: "Das ist mein Ehemann", "das ist mein Sohn"... auch wenn ich oft meine Zweifel an die Aussagekraft dieser Bezeichnungen habe. Aber für die Frauen, die mich über lange Strecken meines Lebens begleitet haben, oder die mir in verschiedenen Situationen, zu verschiedenen Zeitpunkten äußerst wichtig gewesen sind, habe ich keine richtige Bezeichungen. "Freundin" - das kann alles heißen, oder gar nichts. Wenn ich mich als "verheiratet mit Kindern" identifiziere, kommt nicht darin zum Ausdruck, daß ich am Meisten über die Möglichkeiten des Zusammenlebens von Frauen gelernt habe. Wenn ich meine Söhne vermitteln will, daß eine Familie keine Serviceeinrichtung ist, sondern eine Gemeinschaft, die nur funktioniert, wenn alle dazu beitragen, dann ist es deswegen, weil ich ihnen ein solches Selbstwertgefühl vermitteln möchte, das ich auch als Kind erlebt habe. Meine drei Männer brauche ich nicht - und ich bin überzeugt, daß ich mich deswegen viel besser auf sie als interessante und liebenswerte Menschen einlassen und sie respektieren kann. Doch das ändert auch nichts daran, daß Frauen - für die ich keine andere, treffendere Bezeichnung als Freundinnen habe - nach wie vor einen zentralen Stellenwert in meinem Leben haben, sehr viel mit meinem Selbstverständnis und meiner Identität zu tun haben.
Ich wohne jetzt gegenüber von dem Schülerinnenheim der Oblatinnen. Wenn ich aus dem Fenster schaue und die Schwestern in ihrem schwarzen Tracht sehe, freue ich mich über dieses sichtbare Zeichen, daß es Alternativen gibt - und wenn sie in unserer heutigen Zeit noch so befremdend wirken.