"Vernetzungen and Veränderungen", essay for the Upper Austrian group of the Austrian Women's Forum Feminist Theology
Vernetzungen und Veränderungen
Es war einmal eine Idee, und Anfang der 80er Jahre wurde sie immer häufiger, immer nachdrücklicher an den theologischen Fakultäten und Hochschulen in Österreich erörtert, diskutiert, leidenschaftlich Vertreten, herablassend belächelt, in allen Richtungen erforscht. Die Idee wurde mit dem Begriff "feministische Theologie" bezeichnet, und sie war einmal neu und aufregend.
Es war einmal neu und aufregend, darauf zu bestehen, daß wir manchmal nur unter Frauen sein wollten - in Gruppen, in Buchläden, bei Festen - und, daß wir uns behaupteten und verlangten, als ganze Frauen und nicht mehr als verkleinerte "Fräulein" angesprochen zu werden, daß wir die Präsenz von Frauen durch die Verwendung weiblicher Formen immer und überall bestätigt haben wollten. Und manchmal kamen wir nicht mehr aus dem Staunen heraus, als wir entdeckten, wieviel an weibliche Kreativität und Handeln und Beteiligung in der herkömmlichen patriarchalen Theologie verschüttet, verdrängt, verleugnet worden war. Wir knüpften Kontakte und freuten uns, daß wir immer mehr wurden. Wir glaubten, gemeinsam sind wir stark und wir werden eine Revolution lostreten. Wir organisierten und vernetzten uns, um effektiver zu sein und Macht zu beanspruchen. In einem mitreißenden Lied von den Flying Lesbians hieß es, "Frauen kommt her, wir tun uns zusammen, Frauen kommt her, wir tun uns zusammen, Frauen kommt her, wir tun uns zusammen, gemeinsam sind wir stark!" So entstand 1986 auch das Österreichische Frauen Forum Feministische Theologie.
Einiges erreichten wir auch. Es wurde langsam nicht mehr ungewöhnlich, Assistentinnen an den Instituten der theologischen Fakultäten zu finden. Diplomarbeiten wurden über feministische Themen geschrieben, aus Forschungsarbeiten ergaben sich differenziertere und detailliertere Kenntnisse von den Stellen der Frauen in verschieden Epochen und in unterschiedlichen Bereichen. Doch wenn dann irgendeine Anfrage an irgendeinem Institut bezüglich "Frauen in der Bibel", "Frauen in der Kirche", "Frauen in der Gesellschaft" oder sonst irgendeinem "Frauenthema" ankam, wiesen die männlichen Institutsangehörige freundlicherweise auf ihre jeweiligen Kolleginnen, die für "Frauenthemen" zuständig seien. Damit konnten die Männer ihre "Frauenfreundlichkeit" demonstrieren - sie verstünden ja, daß das Thema "Frau und ..." wichtig sei - doch sie mußten sich nicht persönlich damit auseinandersetzen. Andererseits wurde den zuständigen Kolleginnen die entsprechende Anerkennung dafür vorenthalten, daß sie nicht nur in "Frauenthemen", sondern auch ganz allgemein in ihrem jeweiligen Fachgebiet Kenntnisse und Kompetenz erworben hatten. Wir hatten nicht erreicht, daß feministische Theologie als zusätzliche Qualifikation gilt, sondern daß sie ghettoisiert wurde. Wir waren scheinbar in eine Sackgasse geraten.
Inzwischen wurden aus den anfangs vielen Studentinnen immer mehr Absolventinnen und Studienabbrecherinnen, die sich einen Lebensunterhalt verdienen, sich um ihre Arbeit und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen (vielfach mit sehr kleinen Menschen) und ihre sonstigen Lebenszusammenhänge kümmern müssen. Das Österreichische Frauen Forum Feministische Theologie wurde als Verein konstituiert, die dazugehörige Arbeit wurde aufgeteilt, die Organisation wuchs und viele, zum Teil ganz andere Frauen fühlten sich von den Anliegen der feministischen Theologie angesprochen.
Es gehört einiges an Arbeit dazu, eine Organisation am Leben zu halten. Zum Glück fanden und finden sich immer wieder Frauen, die bereit sind, diese Arbeit aufzunehmen. Doch Arbeit hat insgesamt keine von uns zu wenig. Bei manchen Frauen wurde der Eindruck erweckt, wer nicht mitarbeitet (mitarbeiten kann, d.h. noch mehr leisten), gehört nicht "richtig" dazu, und das Interesse ließ vielerorts nach. Im Vergleich mit den frühen 80er Jahren, ist es nicht mehr ganz so ungewöhnlich, daß Frauen sich in Lesekreisen und Liturgiegruppen und sonstigen Frauengruppen treffen. Und aus solchen Zusammenkünften holen sich Frauen Kraft und Mut. Die Atmosphäre ist anders als in den Zeiten der Begeisterung und der Mobilisierung. Als eine Frau um die vierzig herum, die diese Entwicklung schon viele Jahre - wichtige Jahre meines Lebens - hindurch mitgetragen hat, fällt es mir oft schwer, diese Andersartigkeit zu akzeptieren, oder einen Blick für andere Entwicklungen zu schärfen. Das ist aber notwendig.
Im letzten Halbjahr hat sich die Landesgruppe Oberösterreich des Österreichischen Frauen Forums Feministische Theologie fast als Paradebeispiel für die wandelnden Einstellungen in Bezug auf feministische Theologie gezeigt. Obwohl die Adressenkartei der Landesgruppe Oberösterreich schon immer die zweitgrößte (mit 80 - 100 Mitgleidfrauen/Rundbriefabonnentinnen) gewesen ist, kamen immer weniger Frauen zu den offiziell deklarierten Landesgruppentreffen. Aus diesem Grund wurde vor einigen Jahren "Phoebe" ins Leben gerufen: eine kleine Gruppe interessierter Frauen, die für und mit der Landesgruppe etwas tun wollten. In den meisten Bibeln steht, daß Phoebe ihrer Gemeinde "Beistand" geleistet hat, doch im Griechischen steht nicht "Beistand", sondern "Vorstand". Phoebe wurde als Verkörperung der kleinen Gruppe gewählt, um die Deutung offen zu lassen: Je nach Bedarf konnte Phoebe Vorstand oder Beistand leisten. Doch vor einigen Monate schrieb Phoebe einen Abschiedsbrief, weil es beschlossen wurde, die Landesgruppe Oberösterreich offiziell aufzulösen. Es fand sich einfach keine Frau mehr Bereit, die Verantwortung - die Arbeit - für die Organisation der Landesgruppe zu übernehmen. Diese Entscheidung, die Landesgruppe aufzulösen, habe ich mitgetragen, ich habe auch feierlich darauf getrunken. Nachher ging ich nach Hause und weinte. Beim Schreiben des Abschiedsbriefes war es ein wichtiges Anliegen, keine Vorwürfe zu machen. Es war uns ganz klar, die feministische Theologie würde nicht verschwinden, die einzelnen Gruppen würden nicht verlorengehen, und selbst das Frauen Forum insgesamt würde diesen Schritt überleben. Es gab - und gibt - keinen Grund, irgendjemandem etwas vorzuwerfen. Allerdings habe ich inzwischen von einigen Frauen gehört, daß sie diesen Abschiedsbrief als Vorwurf - und zwar als persönlichen Vorwurf - gelesen haben. Woran liegt das? Es ist schon möglich, daß die Enttäuschung und die Schwere des Aufgebens nach so vielen Bemühungen einen unterschwellig vorwurfsvollen Ton mitschwingen ließen. Doch ich vermute auch, daß es bei vielen Frauen eine Bereitschaft geben muß, so einen Ton zu hören. Wer macht denn sonst die Arbeit des Organisierens, wenn nicht wir, denen die feministische Theologie ein Anliegen ist? Und welche Möglichkeiten, unser Anliegen zu vertreten, kennen wir, wenn nicht die Arbeit des Organisierens? Ich glaube, das ist der springende Punkt. Wir brauchen nicht noch mehr Arbeit, sondern andere Formen.
Wenn wir vor 15 Jahren von "Vernetzung" gesprochen haben, konnten wir nicht ahnen, wie dieser Begriff sich im Zuge der sogenannten "digitalen Revolution" in relativ kurzer Zeit verwandeln wurde. Ich meine jetzt nicht, daß alle Frauen sich vor dem Computer hinsetzen und sich auf eine verheißungsvolle Reise ins Cyberspace einlassen sollten. Doch das Model der (elektronisch) vernetzten Kommunikation könnte zum Teil als Model dienen. Es geht darum, unsere Information mit möglichst wenig Aufwand zu organisieren und möglichst effektiv zu verteilen, und es geht darum zu wissen, wo die verschiedenste Frauen sich befinden, um gezielt Kontakt aufzunehmen. Im Lauf der Jahre haben wir alle sehr viel an Wissen und Erfahrungen gesammelt, und wir haben gelernt, daß es inzwischen unmöglich ist, daß eine Frau in allen Bereichen einen Überblick hat. Können wir lernen, uns auf andere Frauen so zu verlassen, daß nicht einzelne Frauen die Befürchtung haben, sie müssen sich überall auskennen? Vielleicht gibt es noch Möglichkeiten und Notwendigkeiten, daß massenweise Frauen sich gemeinsam in eine Richtung in Bewegung setzen. Doch im Normalfall glaube ich, daß wir uns viel mehr gegenseitig unterstützen könnten, wenn wir punktuell kreative Bündnisse und Kooperationen eingehen. Dabei ist zu bedenken, daß diese Bündnisse und Kooperationen sich keineswegs an die herkömmlichen, linearen Machtstrukturen halten müssen. Die Lebensläufe, das Wissen und die Erfahrungen der meisten Frauen halten sich auch nicht daran. Diese Idee ist natürlich keineswegs neu oder gar originell, doch ich meine, daß ihre praktische Umsetzung immer dringender Notwendig wird.
Gemeinsam sind wir stark - daran glaube ich nach wie vor, so wie ich glaube, daß gewisse Organisationsformen erhalten werden müssen. Doch gleichzeitig werde ich mir immer sicherer: Punktuell und kreativ verbunden sind wir ungeheuer subversiv. Revolutionen sind nicht unbedingt vorprogrammierbar.